Wednesday, November 12, 2014
Second Line
Für alle, die die Fernsehserie Treme [trəˈmeɪ] von David Simon nicht kennen:
Die Second Line ist eine sonntägliche Parade, die von den Afro-Amerikanischen Social Aid and Pleasure Clubs ausgerichtet wird. Die ersten dieser Vereine sind gewissermaßen als Versicherung für Afro-Amerikaner gegründet worden, die sich keine Versicherungen leisten konnten. So hat beispielsweise der Verein die Kosten für ein Begräbnis getragen, wenn die Angehörigen nicht dazu in der Lage waren.
Daraus hat sich die Tradition des Jazz Funerals entwickelt. Der Sarg wird von einer Brass Band, die von der Kirche zum Friedhof getragene Stücke spielt, begleitet. Die Angehörigen bilden hinter dem Sarg die so genannte First Line. Die Nachbarn, die weiter hinten den Trauerzug begleiten, bilden die Second Line. Auf dem Friedhof ändert sich dann die Musik, sie wird schneller und auf dem Weg zum Umtrunk wird nicht mehr geschritten, sondern getanzt.
Für die Social Aid and Pleasure Clubs, die in Nachbarschaften organisiert sind, ist die sonntägliche Second Line sozusagen das Hochamt der Saison. Die Second Line zieht von 12:00 bis 16:00 durch die Nachbarschaft des jeweiligen Vereins, jeden Sonntag wird die Second Line von einem anderen Verein ausgerichtet und findet damit in einem anderen Stadtteil statt. Vor Häusern von verstorbenen Mitgliedern wird jedes Mal wieder getragene Musik gespielt, die Tänzer nehmen die Hüte ab und schreiten. Dann gibt es einen Wechsel und es wird wieder getanzt.
Die Tänzer des Sudan Social Aid and Pleasure Clubs zogen am Sonntag durch den Stadtteil Treme, der – wie bereits erwähnt – einer der ältesten schwarzen Stadtteile ist. Die Kostüme werden extra für die Saison entworfen. Sudan hat nur männliche Tänzer, andere Vereine haben auch Tänzerinnen am Start. Es gibt immer auch Kinder, die, scheinbar sobald sie laufen können, in Kostüme gesteckt werden und mittanzen. Sie sind zum Teil extrem gut, laufen/tanzen aber natürlich nicht die ganze Zeit mit.
Begleitet werden die Tänzer von ein oder zwei Bands, diesmal waren es die Sons of Jazz und die tbc (to be continued) Brass Band. Die Parade begann im Treme Center und ging kreuz und quer durch den Stadtteil. Es waren unglaublich viele Second Liners mit dabei.
Second Lines ziehen mit einem irren Tempo durch die Nachbarschaften. Gelegentlich wird inne gehalten, damit die Tänzer ihr Kunst an einem Ort zeigen können. Außerdem gibt es ab und zu Pausen in Kneipen, Geschäften oder auch Gemeindezentren, die den Tänzern Raum für eine kurze Pause bieten. Die Second Line am Sonntag kam allerdings fast ohne Pausen aus. Ich weiß nicht, wie die das schaffen: Es war sehr heiß, es gab auf der Strecke kaum Schatten und allein vier Stunden als Second Liner, also als Zuschauer mitzulaufen, ist sehr anstrengend. Für die Musiker und die Tänzer ist das Hochleistungssport.
Für die Second Liners gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich zu erfrischen: Im Zug laufen Verkäufer mit großen Kühlboxen auf Rädern mit, aus denen sie eisgekühlte Biere und manchmal auch Softdrinks verkaufen. Die meisten haben eine offizielle Lizenz, in New Orleans ist das Biertrinken auf der Straße ja – anders als anderswo in den USA – erlaubt.
Dann gibt es am Rand des Zuges Leute, die auf ihren Pickup-Trucks Bars aufbauen, an denen man alle möglichen Drinks erwerben kann. Außerdem folgen dem Zug Autos mit riesigen Grillanhängern und andere Foodtrucks, so dass man an den Pausen-Stopps auf jeden Fall immer etwas zu essen kaufen kann.
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