Wenn man seine Zeit in New Orleans verbringt, kann man mitunter schon vergessen, dass die Stadt an einem berühmten Strom, am Mississippi, liegt. New Orleans ist weitgehend vom Mississippi-Ufer abgeschnitten: vor allem durch Bahngleise, Industrie- und Hafenanlagen; in Downtown quetschen sich eine Shopping Mall und ein Konferenzzentrum zwischen Stadt und Fluss. Nur an wenigen Stellen ist es möglich, auf dem Deich spazieren zu gehen oder Rad zu fahren. Bis vor kurzem gab es außerhalb des French Quarters sogar nur einen einzigen Zugang zum Wasser: Im Audubon Park, weit im Westen der Stadt gelegen – selbst für Radfahrer schwer zu erreichen. Die folgenden Fluss-Fotos habe ich fast alle dort gemacht.
Von weitem kann man zwar fast von überall die große Mississippi-River-Bridge sehen (hier vom Stadtteil Holy Cross aus). Sie ist sehr hoch, damit die Hochsee-Dampfer drunter durchfahren können, und sie ist die einzige Brücke, die bei New Orleans den breiten Fluss überspannt. Doch leider kann man über sie ausschließlich mit dem Auto fahren. Denn die Mississippi-River-Bridge ist eine reine Autobahnbrücke. Gerade heute habe ich mit einer Frau gesprochen, die meinte, sie würde gerne mal nach Europa kommen, weil es da Brücken über die Flüsse gäbe, die man zu Fuß oder mit dem Fahrrad überqueren kann.
Immerhin hat New Orleans dieses Problem erkannt: Die Stadt arbeitet stark daran, die Verbindung zwischen der Stadt und dem Fluss – wenigstens partiell – wieder herzustellen. In diesem Jahr ist bereits ein Teilabschnitt des neuen Crescent Park eingeweiht worden, angeblich soll bis Ende des Jahres ein zweiter Teil folgen. Doch die geplante Brücke über die ufernahen Eisenbahngleise, ohne die man den neuen Abschnitt des Parks nicht betreten könnte, ist noch nicht gebaut. Ich gehe deshalb davon aus, dass es eher noch etwas länger dauern wird, bis der ganze Park eröffnet wird.
Das Flussufer birgt vor allem aber auch eine Menge sozialen Zündstoffs: Es ist einer der umstrittensten Bereiche der Stadt. Diirekt am Fluss liegt die Stadt am höchsten über dem Meeresspiegel. Hier haben die Überflutungen des Hurrikans Katrina 2005 keine Schäden anrichten können. Deshalb gibt es Initiativen, die am Ufer am liebsten Hochhäuser bauen möchten, um dort möglichst viele Menschen anzusiedeln.
Der Nachteil dieser Idee ist natürlich, dass Hochhäuser in einer solchen Lage mit dann bester Aussicht kaum für alteingesessene und ärmere New Orleanians, sondern lediglich für eine neu hinzuziehende weiße obere Mittelschicht in Betracht kämen. Insofern sind diese Ideen Teil des Kulturkampfes, der hier tobt: Alteingesessene gegen Hinzuziehende, Arme gegen Reiche, African-Americans gegen Weiße.
Die Frage danach, wem die Stadt gehört und wer ein Recht auf die Stadt hat, gehört hier fest zum Alltag.
Monday, November 24, 2014
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