Wednesday, February 04, 2015

Urban Revitalization



Wie in vielen amerikanischen Innenstädten gibt es auch in New Orleans ehemalige Geschäftsviertel, die über lange Zeiträume hinweg durch Leerstand und Verfall geprägt waren und so zu urbanen Unorten mutierten. Der Oretha Castle Haley Boulevard in Central City ist so ein Beispiel. Ich kann natürlich nicht sagen, wie es dort vor Katrina ausgesehen hat, aber die Geschichte dieser Straße und der derzeitige Zustand lassen einige Rückschlüsse zu.



Zu Zeiten des Beginns der Bürgerrechtsbewegung in den 1950er Jahren war die Dryades Street, wie sie damals hieß, ein belebtes Einkaufsviertel mit vorwiegend schwarzer Kundschaft. Die Betreiber der Geschäfte waren weiß und meist jüdischen Glaubens, die Angestellten waren weiß und kaum einer stellte wenigstens einen schwarzen Hausmeister ein. Die jüdischen Ladenbesitzer konnten in der Haupteinkaufsstraße, der Canal Street, selbst keine Geschäftslokale erwerben, da dies von der Mehrheit der weißen christlichen Geschäftsleute verhindert wurde. Auf der Canal Street war alles segregiert, das heißt es gab getrennte Trinkbrunnen und Toiletten und Schwarze wurden an den so genannten Lunch Countern nicht bedient. Schwarze kauften deshalb in der Dryades Street ein.



Ende der 1950er Jahre verhandelten Bürgerrechtsorganisationen mit den Geschäftsleuten der Dryades Street erfolglos über ein Ende der diskriminierenden Einstellungspolitik. Im April 1960 begann ein Boykott der Geschäfte, nur Streikposten verschiedener Organisationen und Universitäten (Schwarz und Weiß) belebten die Straße. In den nächsten Monaten wurden etwa 30 Schwarze eingestellt, doch die meisten Geschäftsleute weigerten sich weiterhin Schwarze zu beschäftigen, lieber schlossen sie ihre Läden und zogen in die Suburbs. Die Dryades Street wurde zur Geisterstraße. Es scheint so, als ob später Kirchen, Logen und Leichenhäuser in einige der leer stehenden Gebäude eingezogen sind, denn solche Institutionen gibt es hier noch heute.



Eine der Aktivistinnen im Dryades Street Boycot war Oretha Castle Haley (1939-1987), die von 1961 bis 1964 sogar den Congress of Racial Equality (CORE) leitete, eine ungewöhnliche Position für eine junge Schwarze. Anlässlich ihres 50. Geburtstages wurde die Straße 1989 nach ihr benannt.



Ein belebtes Geschäftsviertel sieht sicherlich anders aus, aber es tut sich einiges auf der Straße. Die New Orleans Redevelopment Authority (NORA), ursprünglich 1968 als Community Improvement Agency (CIA) gegründet, hat einen Arbeitsschwerpunkt in Central City. NORA hat am Oretha Castle Haley Boulevard nicht nur ihre Büroräume, sondern sie hat hier das Redevelopment einiger Projekte übernommen. Demnächst wird der New Orleans Jazz Market eröffnet, ein Performing Arts und Community Center und Standort des New Orleans Jazz Orchestra. Gegenüber hat bereits das Southern Food and Beverage Museum eröffnet, das die lokale Esskultur ausstellt und fördert.



In renovierten Gebäuden haben sich diverse Nonprofit-Organisationen eingemietet. Das Café Reconcile bietet Jugendlichen aus problematischen Verhältnissen die Möglichkeit, in der Gastronomie zu lernen, außerdem wird hier Gemüse aus Urban Garden Projekten zubereitet. Weiterhin gibt es ein Theater, verschiedene Cafés, einen Box Club und eine christliche Kreditgenossenschaft.



Aus einigen noch nicht sanierten Häusern dringt Baulärm. Eine Schule, die nach Katrina geschlossen wurde und dann einem Brand zum Opfer fiel, ist mittlerweile renoviert, hier wird demnächst ein Supermarkt eröffnet. Es ist kein Wunder, dass diese Straße besondere Bemühungen der Wiederbelebung auf sich zieht, denn sie liegt unmittelbar hinter dem Pontchartrain-Expressway, die den Central Business District (CBD) von Central City trennt; der Superdome ist in Sichtweite.



Wenn man aus dem CBD kommend den Oretha Castle Haley Boulevard befährt, bekommt man allerdings zunächst ein ganz anderes Bild. Denn am Eingang der Straße steht die New Orleans Mission, die dort eine Notunterkunft betreibt. Deshalb harren hier oft Obdachlose aus, insbesondere, wenn es kalt ist. Die restaurierten Bereiche der Straße lassen aber einen kleinen Eindruck zu, wie es hier vielleicht mal ausgesehen haben könnte, als es noch eine belebte Geschäftsstraße war. Geht die Entwickung so weiter, könnte der Oretha Castle Haley Boulveward eines Tages auch wieder zu einer solchen werden.

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