Tuesday, April 19, 2016

Streik


Seit gestern streiken die Textilarbeiter_innen in Bangalore, leider weiß ich nicht warum. Jedenfalls sind heute morgen die Proteste eskaliert, es wurden Steine geworfen und Busse brannten, und zwar in der Nähe der Yeshwantpur Busstation. Außerdem wurden Ausfallstraßen, an denen die Textilfabriken liegen, blockiert.



Das alles wusste ich jedoch nicht, als ich beschloss, einmal die Metro bis zur Endstation Nagasandra zu fahren, die ziemlich weit im Nordwesten liegt, ein Industrievorort. In Peenya, fünf Stationen vor der Endstation, stieg plötzlich das Sicherheitspersonal ein und versuchte, mit heftigem Trillern auf den Trillerpfeifen alle aus dem Zug zu bewegen. Das gelang nicht so wirklich, es gab einige Konfusion, Leute stiegen aus, dann wieder ein und schließlich fuhr der Zug weiter.



An der Nächsten Station stiegen einige aus, ich bekam nur mit, dass jemand etwas von Streik sagte. Draußen vorm Fenster war zu besichtigen, dass sich LKWs, Busse und PKWs auf der Autobahn stauten.



Schließlich fuhr die Metro durch die vorletzte Station durch, an der letzten Station wurden dann alle aus dem Bahnhof gescheucht und es wurden die Rollläden runtergelassen. Auf meine Frage, was denn jetzt passieren würde, hieß es nur, die Station würde geschlossen und vielleicht würde sie in einer halben Stunde wieder geöffnet.



Draußen versuchten Leute, Busse und LKWs anzuhalten, die in Richtung Innenstadt fuhren. Schnell war klar, dass hier kein Taxi zu haben sein würde, also hoffte ich, dass die Dame Recht haben und das alles nur eine halbe Stunde dauern würde.



So war es dann auch, als der Rolladen wieder hochging, setzte ein Sturm auf die Station ein. Da hier immer alle gescannt werden, dauerte es ein bisschen, bis die Schlange wieder kürzer wurde. Da die Metro bislang allerdings nur teilweise fährt, gibt es noch nicht so viele Fahrgäste. Das ändert sich bestimmt, wenn das mittlere Tunnelstück eröffnet wird, denn dann kann man sehr weit durch die Stadt fahren, ohne im Stau stecken zu bleiben.


Nachtrag: Nach der morgendlichen Zeitungslektüre weiß ich ein bisschen mehr. Die Proteste richten sich gegen die Veränderungen der Nutzung des Employment Provident Fund (EPF). Wenn ich das richtig verstanden habe, ist das wie eine Art Rentenversicherung. Allerdings können Arbeiter_innen bisher diese angesparten Gelder auch in Notsituationen wie Krankheit oder aber einer anstehenden Hochzeit in der Familie nutzen. Im Prinzip betreffen die Veränderungen (welche es konkret sind, ist mir nicht klar) alle Arbeiter_innen. Dass sich die Proteste aber vor allem auf die Textilarbeiter_innen konzentrieren, hat den Hintergrund, dass hier 75% Frauen arbeiten, die meist nur den Mindestlohn von weniger als 7000 Rupien verdienen (das entspricht etwa 92 €). Insofern sind sie häufiger darauf angewiesen, auf diese Gelder spontan zugreifen zu können. Zudem sind die Textilarbeiter_innen kaum gewerkschaftlich organisiert im Gegensatz zu den Industriearbeiter_innen, deren Gewerkschaften für Ende April Aktionen gegen das neue Gesetz planen. Die Nachrichten über die Gesetzesänderung haben die schwelende Unzufriedenheit über die Arbeitsbedingungen auf die Straßen getragen. Außerdem habe ich gelernt, dass Textilunternehmen versuchen, die Arbeiter_innen nie länger als 5 Jahre zu beschäftigen, weil sie sonst Aufschläge zahlen müssen.

Und im übrigen ist dann gestern auch tagsüber der komplette Busverkehr zusammengebrochen, da das städtische Busunternehmen die Busse, die nicht irgendwo im Verkehr steckten oder beschädigt worden waren, in die Depots zurück beordert hatte. Es sind wohl ziemlich viele Busse beschädigt worden, was jetzt vermutlich den Busverkehr noch weiter einschränken wird, da ohnehin eigentlich viel zu wenig Busse unterwegs sind.

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