Monday, January 26, 2015
Die ausgefallene Second Line
Heute sollte für ca. drei Wochen die letzte Second Line stattfinden. Während der letzten 17 Tage vor Mardi Gras gibt es so viele Paraden und Bälle, dass die Bands an anderer Stelle gebraucht werden, weshalb die sonntäglichen Second Lines entfallen. Es waren vier Brass Bands angekündigt und fünf verschiedene Clubs mit Tänzer*innen, ein ganz großes Aufgebot.
Um 12 Uhr Mittag standen also einige hundert Menschen bei schönstem Wetter am Startpunkt der Parade, die Grills rauchten, das gekühlte Bier und andere alkoholische Getränke verkauften sich bestens, die Stimmung war gut. Doch es ging nicht los. Normalerweise sind Second Lines immer sehr pünktlich, da sie eine feste Route mit einem festen Ende um 16:00 Uhr haben. Nach etwa 40 Minuten kämpfte sich ein Polizeiauto durch die Menge und der Polizist gab per Megafon bekannt, dass es heute keine Second Line geben werde. Er sagte auch noch mehr, aber das war unverständlich. Man stand also weiter herum, ungläubig, denn man hatte sich ja darauf eingestellt, die nächsten vier Stunden durch die Stadt zu ziehen. Außerdem waren ja auch alle und alles da: Musiker, Tänzer*innen, Alkohol, gegrillte Austern und Steaks.
Dann passierte erstmal nichts, irgendwann kam ein zweites Polizeiauto hinzu, sie betonten, dass auch die Polizisten Second Lines lieben würden, wir aber jetzt die Straße räumen sollten. Aber keiner wollte gehen. Außer einigen älteren Tourist*innen, blieben alle, wo sie waren, rückten aber ein Stückchen in Richtung Straßenrand.
Dann begann eine Band zu spielen und marschierte mit einem großen Trupp Leuten in die Bar an der Ecke. Dort war es schnell sehr voll und heiß, also blieben die meisten nicht lange drinnen. Eine andere Band begann schließlich auf der Straße zu spielen, alle strömten dorthin, man ging los, wurde aber von der Polizei gestoppt. Daraufhin kehrten alle um und marschierten in die entgegengesetzte Richtung, auch die Straße weiter hinauf, alle anderen hinterher. Die Frage, ob es sich entweder um einen anarchistischen Ausbruchsversuch handelte oder aber um eine konzertierte Aktion, wurde insofern beantwortet, als die Second Line nach wenigen Blocks auf ein Sportgelände geleitet wurde. Hier gab es Platz und man blockierte nicht mehr die Straße.
Auf dem überdachten Basketballfeld gab es dann eine Battle of the Bands, was sehr laut war. Die Tänzer*innen der Vereine hatten bald wenig Platz zum Tanzen. Man könnte die Situation als freundliches Chaos bezeichnen, aber es stellte sich irgendwie nicht das richtige Second Line Gefühl ein, weil man sonst ja in zügigem Tempo durch die Stadt zieht.
Irgendwann hatte die eine Band wohl genug und zog wieder vom Sportplatz aus in Richtung Ausgangsort. Das wurde gewährt, aber vor der Bar hörte dann die Musik leider auf. Stattdessen übernahm eine Perkussionsgruppe und man stand so herum, aß Gegrilltes und genoss die Sonne.
Mein Verdacht ist: Die Second Line musste ausfallen, weil es nicht genug Polizisten gab, um die Straßen abzusperren. Denn heute fand ebenfalls der Rock'n Roll Marathon statt (großartig: Ein Marathonlauf, der von Bühnen an der Strecke mit Live-Musik beschallt wird). Und in letzter Zeit gab es in den Medien immer wieder Berichte darüber, dass New Orleans nicht genug Polizisten habe. Der Bürgermeister hat den Staat gebeten, State Troopers (nicht nur) zu Mardi Gras zu schicken, damit die Sicherheit der vielen Gäste gewährleistet werden könne. Der Gouverneur meint, New Orleans sei selbst Schuld, dass die Stadt nicht genug Polizisten habe, sie würde Polizisten zu schlecht bezahlen, so dass dort niemand diesen Job machen wolle. Da der Rock'n Roll Marathon ein Großereignis ist, das viel Geld und Gäste in die Stadt spült, muss eben die Parade der Black Community ausfallen. Das würde jedenfalls voll und ganz der Logik der Stadtpolitik entsprechen.
Die Website des lokalen Kulturradios WWOZ listet die Parade jetzt als verschoben. Ob sie noch vor Mardi Gras nachgeholt wird, wird man sehen.
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