Sunday, April 30, 2006

Der Garten des Shogun


Um von der Stadt aus zum Hama-Rikyu-Teien zu gelangen, muss man zunächst unter einem Freeway hindurch. Es ist aber auch möglich, per Schiff anzureisen. Der Garten liegt an der Mündung des Sumida-Flusses, eine Seite der Bucht von Tokyo zugewandt. Im 17. Jahrhundert wurde er so angelegt, dass die Gezeiten den Wasserpegel der Teiche verändert. Dies soll für dramatische und abwechslungsreiche Effekte sorgen. Heute lässt die schlechte Wasserqualität die Gräben bei Ebbe eher etwas muffig riechen. Aber dies ist der letzte dieser Meerwasser-Teiche, früher gab es eine ganze Reihe solcher Anlagen. Der recht weit vom Palast entfernte Garten diente der Entenjagd und der Rekreation. Während der Meiji-Zeit stand hier das Gästehaus der Regierung und beherrbergte zahlreiche ausländische Gäste (die man dadurch in sicherer Distanz hielt).
1935 wurde ein Hügel angelegt, um die Seelen der getöteten Enten zu trösten. Eine freundliche Geste zur Aussöhnung mit dem Tierreich. Die Jahreszahl mutet dennoch befremdlich an, denn zur selben Zeit wurden Menschen mitunter wenig rücksichtsvoll behandelt. In den alliierten Bombenangriffen auf Tokyo wurden der Garten und die in ihm gelegenen Gebäude stark beschädigt, 1945 schenkte die königliche Familie den Garten der Stadt.
So genossen dort heute zahlreiche Besucher den Sonnenschein zum Auftakt der Golden Week, einer Woche, die noch drei weitere Feiertage bereit hält.



Café Liebe


Unser feiertäglicher Familienausflug bescherte uns statt einer Bootsfahrt ein spätes Mittagessen im Café Liebe. Woher die Ideen für die mitunter etwas merkwürdigen Bezeichnungen von Lokalen kommen, ist mir nicht ganz klar, aber Café Liebe klingt für deutsche Ausflügler natürlich sehr verlockend. In leicht plüschigem Ambiente sind diverse Porzellanwaren nicht ausschließlich europäischer Provenienz ausgestellt, zu essen gibt es klassisch Japanisches wie Curry Reis (kare raisu) oder Yakisoba. Die Kaffeezubereitung ist sehr speziell, denn die Glaskolben auf dem Tresen erinnern eher an ein Chemielabor als an eine Küche. Der Kaffee ist aber – wie sehr oft in Japan – ganz hervorragend. Das Café wird auf jeden Fall mit sehr viel Liebe geführt.


Tokyos letzte Straßenbahn


In Tokyo gibt es noch eine einzige Straßenbahnlinie. Wie in vielen westlichen Städten auch, herrschte zu einem gewissen Zeitpunkt die Überzeugung, dass Straßenbahnen den Verkehr behindern, deshalb wurden sie abgeschafft. Die letzte Linie in der Nähe des des Sumida-Flusses kann im Gegensatz zu anderen öffentlichen Verkehrsmittel nicht besonders viele Menschen transportieren. Dem gut ausgebauten Tokyoter Nahverkehrssystem entsprechend kommt sie sogar am Feiertag sehr oft. Sie hat aber lediglich einen einzigen kleinen Wagen. Die Bahnen fahren nicht immer mit patriotischer Beflaggung, der gestrige nationale Feiertag Tag des Grüns (midori no hi) ist hier der besondere Anlass dafür.

Friday, April 28, 2006

Ikea-Museum


Letzte Woche hat das erste Ikea im Großraum Tokyo eröffnet. Bislang hatten die Japaner wohl keine Lust, sich ihre Möbel selbst zusammenzuschrauben. Nun scheint sich die Situation verändert zu haben, möglicherweise hat aber auch Ikea mittlerweile mehr Möbel für winzige japanische Wohnungen im Programm. Neue Konzepte erfordern neue Werbestrategien, deshalb hat Ikea in den Meiji Outer Gardens entlang einer Allee eine Ausstellung aus kleinen Schaufenstern aufgebaut. Es heißt Ikea-Museum 4.5, wobei 4.5 für 4,5 Tatami steht. Zimmer werden hier in Tatami gemessen. Mein Zimmer hat beispielsweise 5,8 Tatami, das sind stolze 9,4 qm. 4,5 Tatami entsprechen ungefähr 7,5 qm, da passen natürlich nicht besonders viele Möbel rein. Aber wie die Boxen zeigen, kann man da doch einiges unterbringen.
Mich interessiert aber eher die Frage nach der Musealisierung: Heißt das, Ikeamöbel sind hier besonders selten, also wertvoll und teuer? Oder sind sie schon wieder aus den Sphären des Alltags verschwunden und gehören deshalb ins Museum? Wenn man damit beginnt, solche Fragen zu stellen, muss man leider feststellen, dass die Werbestrategie gescheitert ist. Denn teure Möbel, die die Wohnung in ein Museum transformieren, sind wohl kaum für eine gemütliche Gestaltung des Feierabends zu gebrauchen.

Damenschuhe


Seit ich in Tokyo bin, wundere ich mich über das Schuhwerk der Japanerinnen. Wenn es morgens besonders voll ist auf der Straße, verursachen sie manchmal einen Stau, weil sie mit ihren Schläppchen nicht so richtig schnell gehen können. Obwohl man hier oft lange Wege zurücklegt, scheint das die Damen nicht daran zu hindern, entweder extrem hohe Absätze zu tragen oder aber Riemchensandalen, die häufig eher wie Flipflops anmuten, weil das hintere Riemchen den Fuß nicht im Schuh hält. Viele Frauen gehen mit nach innen gedrehten Füßen, was sie sich wohl von klein auf angewöhnt haben, weil das angeblich niedlich aussieht. Nun haben sie X-Beine und weil das Schuhwerk für einen solchen Gang nicht konstruiert ist, sind häufig die Absätze schief abgelaufen, was zusätzlich Probleme bei der Fortbewegung bereitet.





Obwohl auch die deutsche Damenschuhmode zurzeit keine Begeisterung bei mir auslösen kann: Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Pumps mit Puscheln, Spitzen und Pailletten in allen Farben des Regenbogens auf einmal gesehen zu haben.

Thursday, April 27, 2006

Wetterbericht

Wenn ich wissen möchte, wie das Wetter wird, schaue ich zu Hause einerseits aus dem Fenster, andererseits kucke ich auf einschlägigen Websites, welche Temperaturen denn zu erwarten sind. Das mache ich auch in Tokyo. Weil es bislang hier sehr wechselhaft ist, mal sehr warm und dann wieder recht frisch, bin ich hauptsächlich auf das Netz angewiesen (das Aus-dem-Fenster-Schauen ist schwierig wegen der Milchglasscheiben).
Als zuverlässige Quelle nutze ich die englischsprachige Tageszeitung Daily Yomiuri. Dort gibt es an prominenter Stelle auf der ersten Seite einen Wetterbericht – aber ohne Temperaturen. Um handfeste Zahlen zu bekommen, muss man mindestens dreimal klicken. Für Japaner ist es offensichtlich wichtig zu wissen, ob und zu welcher Uhrzeit sie einen Regenschirm mitnehmen müssen (ein durchaus legitimer Wunsch) und nicht, ob eher Pullover- oder T-Shirt-Wetter angesagt sind. Es scheint hier allgemein eine gewisse Unempfindlichkeit gegen Kälte zu herrschen, denn auch bei eher mäßigen Temperaturen werden Schläppchen mitunter ohne Strumpfhosen getragen.
 

Wednesday, April 26, 2006

Parkhäuser



Obwohl ich denke, dass Autofahren in Tokyo der blanke Horror ist, bin ich doch sehr begeistert von den Parkhäusern. Am Anfang habe ich mich darüber gewundert, wieso es an so vielen Ecken Hubschrauberlandeplätze gibt – zugegebenermaßen für recht kleine Modelle. Aber man weiß ja nie, die Japaner sind uns einfach immer eine Nasenlänge voraus, technologisch gesehen, meine ich.
Aber nein, trotz Zeitalter der Servolenkung fährt man einfach entspannt auf die Wendescheibe, lehnt sich zurück und wartet, bis das Auto in die entsprechende Position gedreht ist: schon kann man vorwärts in die Garage einfahren oder eben auf die Straße. Kein lästiges Vor- und Zurückfahren, keine Kurbelei. Toll! Das hat natürlich damit zu tun, dass es hier meist recht eng ist. Deshalb gibt es schmale Parkhaustürme mit Auto-Paternostern und ähnlichen technischen Spielereien. Mein Interesse daran ist aber eher gestalterischer als technischer Natur. Klare geometrische Formen und eine abwechslungsreiche Farbgebung lassen das Thema Parken zu einem interessanten Aspekt der Stadtraumgestaltung werden.

Monday, April 24, 2006

Das Büro


Als Stipendiatin des Deutschen Instituts für Japanstudien habe ich dort auch einen Arbeitsplatz. Ich teile das Büro mit drei weiteren Stipendiatinnen. Allerdings ist eine gerade letzte Woche abgereist, so dass ich nun auf einen Fensterplatz vorrücken durfte. Die Ecke ist zwar etwas rümpelig, aber das gehört wohl allgemein zu japanischen Büros dazu, denn Abstellräume sind rar. Von meinem neuen Platz kann man prima in das gegenüberliegende Büro schauen, wenn man mal was anderes sehen möchte als den eigenen Bildschirm. Ich glaube, das Büro dort ist eine Werbeagentur. Auf jeden Fall gehört es in die Kreativbranche (sie benutzen Macs), außerdem tragen sie T-Shirts und keine Hemden und Anzüge. Einem japanischen Großraumbüro zuzuschauen ist manchmal sehr spannend, angenehmer jedenfalls, als der Kollegin dabei zuzusehen, wie sie Nudeln aus der Mikrowelle am Rechner in sich hineinstopft.


Unser Büro ist nicht so richtig heimelig, den ganzen Tag summt die laute Klimaanlage vor sich hin. Und weil die dünnen Wände nur sehr provisorisch eingezogen sind, kann man auch die Geräusche aus den Nachbarzimmern hören. Da vermag der Klimaanlagensound dann doch beispielsweise Telefongesprächen ein Stück Privatsphäre zu retten. Insgesamt ist es aber sehr angenehm, so eine Anlaufstelle zu haben, einen echten Schreibtisch, eine ordentliche Internetverbindung und genug Platz, um seinen Arbeitskram unterzubringen. Zudem finde ich die Bahnfahrten ins Büro und nach Hause sehr erhellend, denn da lernt man einiges über den japanischen Arbeitstag.