Friday, June 03, 2016

Bye, bye, Bangalore




Das – aus europäischer Sicht – in Bangalore herrschende Chaos hat immer wieder seine liebenswerten Seiten, die ich vermissen werde. Wenn eine Kuh beispielsweise die Gunst der Stunde nutzt und genüsslich die Blumengestecke verspeist, während der Händler gerade durch ein Telefonat abgelenkt ist.



Jedenfalls hoffe ich, bei Gelegenheit wiederzukommen, um erneut die südindische Gastfreundschaft zu genießen und das leckere Essen; und die neu gewonnenen Freund_innen wiederzusehen.

Nach wie vor habe ich das Gefühl, nur einen Bruchteil von Bangalore gesehen zu haben, was bei einer Stadt dieser Größe vielleicht aber auch normal ist.

Altstadt




Der historische Stadtkern von Bangalore fällt vor allem durch die extrem engen Gassen auf. Was hier wirklich alt ist, ist schwer zu sagen, denn viele Gebäude sind aus Beton, es fallen kaum historische Bauten auf.



Die historische Mitte der Stadt, eine Kreuzung, ist markiert und wenn man es weiß auch als solche zu erkennen.



Die Altstadt ist ein trubeliger Marktplatz, der im Prinzip alles zu bieten hat. Man kann hier Lebensmittel ebenso erwerben wie Saris, Bücher, Seile oder Büromaterial.



Alles wird in kleinen, häufig vollgestopften Geschäften angeboten. Und weil diese Geschäfte natürlich beliefert werden und die Einkaufenden ihre Waren nach Hause schaffen müssen, ist auch die Verkehrssituation sehr eng. Alle teilen sich die engen Gassen, so dass man auch als Fußgängerin gerne mal im Stau steht und einfach nicht weiterkommt. Es ist laut und die Luft ist mitunter sehr von Abgas geschwängert.



Die Altstadt liegt nördlich des historischen Forts von Tipu Sultan, von dem nur ein winziger Teil erhalten ist. Dorthin zu gelangen ist nicht so einfach, da von der Altstadt durch eine Hochstraße mit darunter gelegener, sehr chaotischer Kreuzung abgeschnitten ist.



Hat man es über die Kreuzung geschafft, stehen auf der anderen Seite unzählige Busse, die aufgrund der engen Straßen ja nicht direkt in die Altstadt hinein fahren können. Auch hier setzen sich die Marktaktivitäten fort, so dass es auch schwierig ist, auf dem Bürgersteig voranzukommen.

Thursday, June 02, 2016

Verkehr




Es gibt bislang den einen großen blinden Fleck in meinem Blog über Bangalore: den Verkehr. Das liegt daran, dass dieses Thema das Hauptanliegen meines Bangalore-Aufenthaltes ist. Ich habe mich 2 Monate lang mit Mobilität, Transport und Verkehr beschäftigt. Ich habe sämtliche Verkehrsmittel zu jedweder Tageszeit ausprobiert, habe mich viel mit Forscher_innen unterhalten und mir viele Geschichten über die Pein und die angenehmen Seiten (ja, auch die gibt es!) des täglichen Pendelns angehört. Die Arbeit Commuter Space, die ich in Bangalore fotografiert habe, wird demnächst auf meiner Website zu sehen sein: archivalien.de/stadt



Ich habe selbst oft im Stau gesteckt, habe mit Rickscha-Fahrern über den Fahrpreis gestritten oder versucht, die Uber-Taxifahrer an den Ort zu locken, an dem sie mich abholen sollen. Wenn das nicht geht, weil es keine gemeinsame Sprache gibt, muss das Telefon immer einem Passanten in die Hand gegeben werden, damit der erklären kann, wo man sich gerade befindet.



Bangalore ist eine schnell wachsende Stadt, zwischen 2001 und 2011 hat sich die Einwohnerzahl von knapp 5 Millionen auf 8,5 Millionen Einwohner fast verdoppelt. Wie viele Einwohner es gerade gibt, weiß keiner, ich habe Zahlen zwischen 9 und 11,5 Millionen gehört und gelesen. Dass die Verkehrsinfrastruktur da Probleme hat mitzukommen, ist naheliegend.



Sinnvoll wäre es natürlich, diese vielen Menschen per öffentlichem Nahverkehr zu transportieren, doch das ist nicht ganz einfach. BMTC – das lokale Busunternehmen – ist eins der effizientesten und best genutzten Indiens (leider auch teuersten – nicht von der Mittelklasseperspektive, aber aus Sicht derjenigen, die sich ohnehin kein anderes Verkehrsmittel leisten können). Dennoch ist es im Vergleich zu deutschen Städten nicht wirklich satisfaktionsfähig. Das hängt zum einen damit zusammen, dass die Fahrpläne mitunter erratisch erscheinen. Manchmal fahren Busse nur alle zwei Stunden, auf anderen Linien fahren 4 direkt hintereinander und dann eine Stunde lang keiner mehr. An den Bushaltestellen gibt es grundsätzlich keine Information, aber manchmal gibt es nichtmal eine Haltestelle und man springt an einer Ampel in den Bus. Man weiß meist nicht, wie die Haltestellen heißen, welche Linien wohin fahren und zu welcher Zeit. BMTC versucht da gerade Abhilfe auf digitalem Weg zu schaffen, letzte Woche wurde eine neue App vorgestellt, die solche Infos bereithalten soll. Doch eine Kollegin erzählte, dass die App nicht funktioniert. Diese App soll auch Statusinformationen geben, etwa wo der Bus gerade ist und wann mit ihm an der Haltestelle zu rechnen ist; dies wäre wirklich wichtig, denn der Stau in Bangalore macht im Zweifel jeden Fahrplan zunichte.



Wenn man das System des Busliniennetzes verstanden hat und Zeit mitbringt, finde ich Busfahren sehr angenehm. Alle Fenster sind offen, die Türen meist auch, so dass es einen angenehmen Fahrtwind gibt (wenn der Bus sich bewegt). In Bangalore sitzen und stehen die Frauen vorne und die Männer hinten, so dass es nicht zu unangenehmen Situationen in vollen Bussen kommen kann. Jeder Bus hat einen Schaffner, der das Geld für die Fahrkarten einsammelt, der ist – manchmal – auch behilflich, einem Bescheid zu sagen, wann man aussteigen muss. Das klappt allerdings nicht immer, so dass ich meine Fahrt meistens auf Google-Maps auf dem Telefon verfolge, um zu wissen, wann ich aussteigen muss. Hier bietet die digitale Welt wirklich sehr große Vorteile.



Die Metro, deren erste Stücke 2011 eröffnet wurden, bringt eine große Verbesserung. Seit nun nach der Tunneleröffnung die erste Linie durchgehend fährt, wird sie stark frequentiert und hat auch meine Transportsituation entscheidend verbessert, da ich nun mit dem Bus an eine Kreuzung fahren kann, die 2 Blocks von der Metrostation entfernt ist und von dort kann ich beispielsweise zum Goethe-Institut fahren, was fußläufig 10 Minuten von einer Metrohaltestelle entfernt liegt. Mobilitätsketten beinhalten häufig mehrere Transportmittel plus Fußwege.



Eins der großen häufig diskutierten Probleme des Nahverkehrs ist die Last-Mile-Connectivity, also: Wie komme ich von der Haltestelle zur Arbeit/nach Hause? Hier werden gerade Ideen von Park & Ride Parkplätzen diskutiert, Mofa-Verleih und Busverbindungen zur Metro, aber diese Diskussionen stecken noch in der Anfangsphase. Mich hat gewundert, dass es quasi keine Fahrradständer gibt, denn häufig könnte man mit dem Rad Probleme lösen. Aber natürlich ist hier Radfahren problematisch und gefährlich, weshalb das nur wenige Leute machen. Aber auch hier gibt es die aufsteigende Mittelklasse, die sich nachhaltig bewegen möchte und deshalb auch Rad fährt. Ansonsten sieht man hier allenthalben die Fahrräder ohne Schaltung aus indischer Produktion, die von den untersten Schichten benutzt werden. Die ältere Generation erzählt noch von den Zeiten im letzten Jahrhundert, als Bangalore als Pensionärsparadies galt, man in jedem Viertel ein Fahrrad leihen konnte und alle mit dem Rad gefahren sind. Das scheint ewig her zu sein, aber meist ist die Rede von den 1980er und frühen 1990er Jahren.



In einem Viertel hat es mal den Versuch gegeben, Radspuren anzulegen. Leider wurde dann das Konzept nicht weiter erklärt, so dass alle dort parken. Auch waren die angelegten Strecken nicht wirklich sinnvoll und so steckt das Projekt Radfahren in Bangalore noch im Embryonen-Stadium. Es wurde mir von der Chefin des Department for Urban Land Transport (DULT) versichert, dass sie sich auch um solche Dinge kümmern – doch Politiker würden lieber eine neue Hochstraße einweihen als eine Radspur, weshalb es eben an Ideen nicht mangelt, aber an deren sinnvoller Implementierung.



Zu Fuß zu gehen macht nicht unbedingt Spaß, weil die Bürgersteige häufig in einem so schlechten Zustand sind, dass man auf die Straße ausweichen muss. Das ist gefährlich und unangenehm. Mir ist irgendwann aufgefallen, dass ich selbst in Straßen, die ich oft benutze, gar nicht weiß, wie die Häuser aussehen, weil ich immer auf den Boden achten muss. Wenn ich dann dieselbe Strecke in der Rickscha zurücklege, wundere ich mich manchmal, warum ich überhaupt keine Erinnerung daran habe, dass es hier so aussieht oder dass hier dieses oder jenes Geschäft ist.



Rickschafahren macht Spaß, weil man gewissermaßen im Freien sitzt und so ganz unmittelbar im Verkehr steckt. Das kann natürlich auch unangenehm sein, weil es laut ist, heiß und man direkt die Abgase einatmet. In der Rickscha gibt es ein Taxameter. Was aber nicht heißt, dass das grundsätzlich benutzt wird. Zu Stoßzeiten oder abends verlangen die Fahrer oft Phantasiepreise oder lehnen es grundsätzlich ab, einen zu fahren, weil sie z.B. keine Lust haben, in die Richtung zu fahren, die man braucht. Dann kommt man nicht umhin, die völlig überhöhten Preise zu bezahlen. Dieser Wucher trifft übrigens nicht nur Ausländer, sondern wirklich alle.



Anders geht es mit den Taxis, die hier in der Regel Uber oder Ola zugeordnet sind. Seit es diese Unternehmen gibt, hat sich die Transportsituation der Mittelklasse stark verändert. Die Ruftaxis von früher müssen sehr problematisch gewesen sein. Jetzt hat man eine App auf dem Smartphone, das GPS gibt die Location an, an der man sich befindet und wo man abgeholt werden kann. Man bekommt Infos über Fahrer, Kennzeichen und Telefonnummer. Oft braucht es dann allerdings mehrere Telefonate, um zu verdeutlichen, wohin der Fahrer kommen soll. Das hat zwei Gründe: Zum einen können Inder keine Karten lesen, wie mir scheint, zum anderen kommen viele Fahrer vom Land und haben keine Ahnung, wo was in Bangalore ist. Sie fahren ausschließlich nach Navi, das aber manchmal mit Einbahnstraßen durcheinander kommt und sie können eben auch keine Karten lesen.



Wenn man dann aber im Taxi sitzt, befindet man sich in einer abgeschotteten Blase. Die Aircondition kühlt, man hört den Sound von draußen nur noch gedämpft und auch gelangen keine Abgase in den Innenraum. Man kann um sich herum andere Leute sehen, die ebenfalls mit Fahrern unterwegs sind.



Uber und Ola haben allerdings gerade ein Problem, weil sie zu Stoßzeiten teurer werden, was nach dem neuen Transportgesetz in Karnataka nicht zulässig ist. Auch sollten sie weitere Auflagen erfüllen, um Lizenzen zu erhalten. Das haben sie bisher nicht gemacht und da seit dem 1. Juni die Polizei gegen die Fahrer vorgeht, hat es schon viele Proteste gegeben bzw. sind viele Fahrer verunsichert. Deshalb gab es beispielsweise gestern Abend keine Taxis, obwohl es in Strömen goss. Der Rickschafahrer hat dann auch viel Geld genommen. Es soll aber jetzt wohl Abhilfe geben, man hat sich gerichtlich auf vorläufige Maßnahmen geeinigt. Die Schwierigkeiten mit den Vorschriften treffen insbesondere die Fahrer. Denn viele von ihnen haben eine Kredit aufgenommen, um ein Auto zu kaufen. Wenn sie den nicht bedienen können, weil sie kein Geld verdienen, wird es hier bald sehr viele Probleme geben.



Der Stau ist aber natürlich das größte Thema, nach wie vor werden Hochstraßen und Unterführungen gebaut, um Abhilfe zu schaffen. Doch aus der westlichen Welt weiß man ja, dass das immer neuen Verkehr nach sich zieht.



Ich habe mal auf der Uber-Website gelesen, dass in Bangalore täglich 1600 neue Autos zugelassen werden. Für Verkehrsplaner sind aber Mofa- und Motorradfahrer das viel größere Problem. Denn Mofas sind nicht so teuer wie ein Auto, sie haben geringe Spritkosten und sind flexibel, weshalb hier die Zahlen noch viel höher sind.



Es gibt also viele Probleme und viele Ideen, sie anzugehen. Das kostet Geld und Zeit, weshalb – je nach Wachsum der Stadt – eine sinnvolle Lösung für den Verkehr noch 2 bis 3 Generationen auf sich warten lassen wird.

Stadt der Mauern




Ein Aspekt unterscheidet Bangalore sehr stark von anderen Städten: Viele der Gebäude stehen nicht direkt an der Straße, sondern verstecken sich hinter Mauern. Das betrifft insbesondere das Cantonment, die alte Britische Garnisonsstadt.



Am Anfang hat mich das sehr irritiert, denn immer wenn ich im Taxi oder in der Rickscha saß, hatte ich das Gefühl, ich kann die Stadt gar nicht sehen. Aber natürlich konnte ich die Stadt sehr gut sehen, nämlich die, die ihre Gebäude in Parks hinter Mauern versteckt.



Vom Bus aus ist es ein bisschen anders, denn da sitzt man höher und kann gelegentlich auch übr die Mauern hinwegsehen und bekommt einen Eindruck, wie es dahinter aussieht.



In westlichen Städten würden diese vielen Mauern vermutlich jede Menge Graffiti-Künstler_innen anlocken, hier sieht man entweder die offizielle Gestaltung (hier etwa der Defence Research Development Organization – das Militär spielt noch immer eine sehr große Rolle in Bangalore) oder aber Hinweise, dass man hier bitte nicht urinieren soll.



Denn das ist tatsächlich eine sehr alltägliche Beobachtung: Männer, die an Mauern pinkeln.

Wednesday, June 01, 2016

Ausflug III: Der Ort Shravana Belagola




Nach dem Tempelbesuch aßen wir in einer sehr rustikalen Gaststätte, die nordindisches Thali servierte. Gekocht wurde auf dem Küchenboden.



Dann streiften wir noch ein wenig durch den Ort.



Zum Abschluss gab es dann vor der Abfahrt noch eine obligatorische Kokosnuss.