Monday, March 30, 2009
Wahltag
Der Tag der Kommunalwahlen gestern war ein sehr entspannter, frühlingshafter Tag. Man ging an der Strandpromenade spazieren und genoss die Sonnenstrahlen. Die Helfer haben es tatsächlich geschafft, die Stadt fast vollständig von Fähnchen und Wahlpropaganda zu befreien. Da muss in der Nacht auf den Straßen ganz schön viel los gewesen sein.
Außer der Tatsache, dass Schulen als Wahllokale fungierten und dementsprechend dort sonntags Leute anzutreffen waren, konnte man aber wenig mitbekommen vom Wahltag. Lediglich an den Parteizentralen waren Medienvertreter positioniert und dann gab es wohl die eine oder andere Bezirks-Wahlparty. Als ich am Abend zurück nach Kadıköy kam, waren dort jedenfalls einige Straßen durch große Busse verstopft und die Polizei versuchte, den Verkehr zu regeln. In Istanbul wurde der AKP-Kandidat wiedergewählt, auch wenn das Ergebnis wohl knapper war, als angenommen. Zwischendurch hieß es, der CHP-Kandidat würde führen, was aber dann doch nicht stimmte. Insofern wird in Istanbul wohl alles so bleiben wie es ist – im Sinne ständiger Veränderung selbstverständlich.
Die Rückseite der Shopping Malls
In Levent, das auf der europäischen Seite nördlich von Taksim gelegen ist, gibt es oben auf dem Hügel mehrere Shopping Malls und große Bürozentren. Hier ist sozusagen eines der vielen wirtschaftlichen Zentren der Stadt angesiedelt. Hinter den Shopping Malls geht es allerdings recht steil den Hang hinab und dort findet man die übliche Mischung aus neueren und älteren Apartmenthäusern sowie Hütten, die alle von der Zuwanderung aus Anatolien zu sprechen scheinen. Die Frauen tragen meist Kopftücher, auf der Straße sind hauptsächlich Männer und spielende Kinder.
Dann gibt es auch noch Betonklötze, in denen wohl einmal die Stadtteil-Verwaltung angesiedelt war, die jetzt aber bis auf das Erdgeschoss leer stehen.
Ausserdem wird natürlich weiterhin gebaut.
Thursday, March 26, 2009
Wahlkampf II
Hier sind die versprochenen Bilder mit den Wahlkampfpavillons vom Anleger in Kadıköy. Allerdings sind sie von gestern, heute Nachmittag schien doch noch einmal viel mehr los zu sein. Heute standen Leute bereits am Anleger und riefen etwas in die Menge und es ist schwierig, ohne Wahlkampfbroschüren in die Hand gedrückt zu bekommen, die Straße zu erreichen.
Was ich auch vergaß zu erwähnen: Ganz wichtig sind sowohl Lautsprecherwagen als auch Musik. Die Busse mit – je nach Budget – montierten Boxen oder Megaphonen fahren seit Wochen durch die Stadt und verbreiten einen Höllenlärm. Dabei geht es nicht nur um Parolen oder konkrete Veranstaltungen, sondern jede Partei scheint einen eigenen Musikstil zu vertreten. Die CHP hat beispielsweise einen ganz martialischen Turk-Hiphop-Sound, während andere eher orientalische Klänge verbreiten, manche mit, manche ohne Gesang. Die Unterscheidung der Musik abseits der CHP habe ich aber noch nicht so raus.
Am Anleger wird dann auch bei der CHP getanzt, während für die Saadet Frauen mit Kopftüchern Wahlkampfmaterial verteilen. Die AKP bemüht sich sogar, phänotypische Parallelen zwischen Atatürk und Erdoğan herzustellen.
Ob es eigentlich wirklich um Inhalte geht, weiß ich nicht so genau. In der englischsprachigen Presse fand sich heute ein Artikel, wo es tatsächlich um Inhaltliches ging: Schwerpunkt ist dabei die Stadtplanung mit den Themen Verkehr und Erdbebenprävention. Und tatsächlich finde ich, dass der öffentliche Nahverkehr bzw. die Gestaltung von Straßen und Plätzen eine große Rolle spielen. Schließlich wurden die neuen Istanbuler Metrobus-Linien mit großem Trara eingeweiht, wie eben auch die Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Eskişehir und Ankara. Außerdem wird permanent an vielen Stellen der Stadt das Straßenpflaster erneuert.
Florya Atatürk Deniz Köşkü
Als es in den 1930er Jahren mit Atatürks Gesundheit bergab ging, empfahl sein Arzt ihm, mehr Zeit etwas außerhalb der Stadt zu verbringen und sich dort der guten Seeluft auszusetzen. So wurde die Atatürksche Seevilla errichtet, ein typisches Beispiel für die frühe republikanische Architektur, die sich dem Bauhau verpflichtet fühlt. Das Haus wurde von Seyfi Arkan gebaut, der von deutschen Architekten ausgebildet worden war. Es steht auf Pfeilern im Marmarameer, was an einem Tag mit starker Brandung natürlich um so spannender wird.
Das Haus ist als Museum mit den originalen (?) Möbeln erhalten und kann besichtigt werden. Weil es aber von der Polizei bewacht wird (immerhin nicht vom Militär wie die meisten Anlagen in Ankara), macht es nach außen hin erstmal keinen einladenden Eindruck. Als ich aber neugierig vor der Absperrung herumschlich, wurde mir bedeutet, dass ich das Museum besichtigen könne. So bekam ich eine exklusive Führung als einzige Besucherin.
Küçükçekmece
Westlich des Istanbuler Flughafens – auf der europäischen Seite – gibt es einen großen See, der kurz hinter dem Strand liegt. Am Seeausgang gibt es ein kleines Flüsschen, das einen Zugang zum Meer bietet. Weil wir aber in Istanbul sind, führt natürlich eine Autobahn zwischen See und Meer entlang, so dass es da nicht wirklich schön ist.
Aber an einem windigen Tag mit einer ordentlichen Brandung sorgt das Meer selbst dafür, dass man die Autobahn nicht mehr hört und dann ist es eben doch sehr schön. Die Stadtverwaltung hat sich in diesem Teil der Stadt auch sehr viel Mühe gegeben, so dass man tatsächlich mehrere Kilometer am Ufer entlang gehen kann. Etwas weiter stadteinwärts gibt es sogar recht neu angelegte Badebuchten mit nagelneuen Umkleidekabinen.
Monday, March 23, 2009
Wahlkampf I
Der Wahlkampf tobt hier nun in seiner Endphase – am nächsten Sonntag finden in der Türkei Kommunalwahlen statt. Seit Wochen werden die Straßen von Istanbul mit Fähnchen aller Parteien voll gehängt und ich dachte schon, der Höhepunkt sei längst erreicht. Aber weit gefehlt: Innerhalb einer Woche haben die Parteifreunde gezeigt, dass noch viel mehr geht. Inzwischen hängen die Fahnenreihen doppelt und dreifach übereinander, die politischen Kandidaten sind kaum auszumachen auf den Bannern, die dazwischen hängen.
Vermutlich ist die AKP deshalb dazu übergegangen, Präsident Erdoğan, der ja gar nicht zur Wahl steht, auf Großplakaten an Baustellen zu plakatieren. Auch sind heute tagsüber am Anleger in Kadiköy mobile Pavillons der Parteien aufgestellt worden (Bilder folgen).
Etwas irritierend ist, dass drei Parteien die Farben der Türkei, also Rot und Weiß benutzen: Die CHP (die Kemalisten), die MHP (die Nationalisten) und die Saadet (die Islamisten).
Insofern hat die AKP (die regierenden Konservativen mit religiösem Einschlag) quasi alles richtig gemacht, indem sie andere Parteifarben gewählt hat (Blau, Weiß, Orange), was dann besonders auffällt, wenn viele Fahnen über- und nebeneinander hängen. Die AKP hat allerdings auch das beste Parteilogo, denn man hat den Eindruck, sie hat die Glühbirne erfunden (ok, das mutet nach der Entscheidung, Glühbirnen europaweit zu verbieten, vielleicht etwas gestrig an, scheint mir aber dennoch ein geschickter Schachzug zu sein).
Es wird im Stadtbild sehr deutlich, dass die AKP über das größte Budget verfügt, denn sie wirbt auf den meisten offiziellen Plakatwänden. In Ankara gibt es übrigens überhaupt keine Fahnen im Stadtbilde, dort hängen sie lediglich an den Parteizentralen. In Ankara findet der Wahlkampf ausschließlich über große Plakatwände statt wie es scheint, so dass dort die AKP ohnehin unangefochten zu sein scheint.
Es heißt, dass vor dem Wahltag alle Fahnen und Plakate verschwinden müssen. Wie diese Unmenge an Fahnen beseitigt werden soll, ist mir bisher ein rätsel, aber ich werde ja hier sein, um zu sehen, ob das wohl klappt.
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