Tuesday, February 10, 2009

Karanfilköy (Gecekondu)



»Gecekondu« bedeutet etwa: über Nacht errichtet. MigrantInnen, die aus ländlichen Gebieten Anatoliens seit den 1950er Jahren nach Istanbul kamen, errichteten sich über Nacht zunächst sehr provisorische Häuser auf öffentlichem Grund, was nach altem osmanischen Recht als legitim galt. Da die Stadtverwaltung ohnehin den Wohnungsbedarf der Zuwandererströme nicht hätte decken können, war dies eine anerkannte private Initiative der Wohnraumgenerierung. Diese Siedlungen wurden meistens später legalisiert, d.h. die nach und nach verbesserten Gebäude wurden an die städtische Infrastruktur angeschlossen und die BewohnerInnen bekamen schließlich den Grund überschrieben. In vielen Siedlungen wurde der Landbesitz seit den 1980er Jahren in Apartmenthäuser umgewandelt, so dass mehr Raum für weitere Zuwanderer geschaffen wurde bzw. sich die alteingesessenen Zuwanderer räumlich verbessern konnten. Insofern kann man die ehemaligen Gecekondusiedlungen heute nicht mehr erkennen, denn es handelt sich meist um eng bebaute städtische Gebiete, die sich nur unwesentlich von anderen Bereichen unterscheiden. Einzig die Straßenstruktur zeigt manchmal von der Vergangenheit.



Karanfilköy ist wohl eine der letzten Istanbuler Gecekondu-Siedlungen, die ihren Originalzustand bewahrt hat. Es handelt sich um eine Art Gartensiedlung, die sich an einem Hügel in der Nähe einer Autobahn befindet. Die Straße, die zu ihr hinführt, ist auf der einen Seite noch nicht gebaut, auf der anderen führt sie in Richtung Autobahn. Karanfilköy mutet recht dörflich an. Direkt nebenan sind einige größere Apartmenthäuser errichtet worden, die aber noch recht einfach anmuten Allerdings liegt auf der gegenüberliegenden Seite eine Siedlung, die wohl eher upper middleclass-Standards erfüllt. Besonders auffällig ist ein Sportzentrum mit integriertem Starbucks und bewachten Parkplätzen, was deutlich macht, dass hier sehr unterschiedliche Lebensweisen lediglich durch eine wenig befahrene Straße getrennt sind.

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