Wednesday, April 19, 2006
Die Gassen von Tokyo (roji 路地)
Gerade habe ich in der OAG (Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde Ostasiens) einen sehr interessanten Vortrag zum Thema Spaziergänge durch Tokyos Hintergassen. Literarische und fotografische Strategien der Dokumentation städtischer Räume gehört, der von Prof. Dr. Evelyn Schulz von der Uni München gehalten wurde. Dort ging es um Literatur (teilweise durch Fotografien illustriert), die sich Tokyo aus der Sicht des Flaneurs nähert und heute insbesondere daran arbeitet, die Vergangenheit, vor allem die Edo-Zeit (Anfang 17. Jhdt. bis 1868), im Tokyoter Stadtbild sichtbar zu machen. Diese Strategie ist in Tokyo besonders interessant, da hier Häuser eine durchschnittliche Lebensdauer von ca. 20 Jahren haben und dementsprechend nur wenig Relikte aus der Vergangenheit übrig geblieben sind. Dennoch wird versucht, über den Vergleich alter und neuer Stadtpläne und mit Hilfe von literarischen Erzählungen über historische Orte, die Vergangenheit spürbar zu machen. Das – vorwiegend deutsche – Publikum schien sich darin einig, dass sich die Japaner über bedeutende Orte auch dann freuen können, wenn keine historische Bausubstanz an Vergangenes erinnert, während den beim Vortrag Anwesenden wohl durchgehend die Phantasie fehlt, ohne materielle Anhaltspunkte historische Orte zu erleben.
Auch wenn Tokyos Architektur insgesamt eher neu ist, finde ich immer wieder Stellen, an denen ich mir durchaus vorstellen kann, Historisches zu entdecken. So bin ich in den letzten Tagen durch ein Viertel ganz in meiner Nähe gestreift, in dem es zahlreiche Tempel und Schreine, Friedhöfe und enge Gassen gibt. Das hat mir sehr gut gefallen. Und ich finde schon, dass einige Orte eine große Magie besitzen. Wäre ich in der Lage, japanische Literatur zu lesen, könnte ich mir sehr gut vorstellen, dass es an solchen Orten möglich ist, ein Gefühl von Vergangenheit zu evozieren.
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